Europäische Klänge

(Saarbrücker Zeitung, 16.03.1982)

Oberst Morillon, Chef des 1. Kürassierregimentes , hatte in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Club eingeladen und alle, alle kamen mitnichten. Die Reihen waren ziemlich licht im großen Kinosaal der Kaserne, umso feiner der Kreis der Anwesenden. Recht zahlreich war das Offizierskorps des Regimentes vertreten, alles alte Freunde der Urexweiler, die wohl aus langjähriger Erfahrung wussten, was für ein Leckerbissen sie an diesem Abend erwarten würde.

Auch die unteren Chargen waren vertreten und zu Anfang des Konzertes war in ihren wehrpflichtigen Kindergesichtern nicht so die rechte Vorfreude auf das Erwartete abzulesen. Aber die Jungs waren schnell drin in der Stimmung des Abends und der Ausdruck dienstlicher Ergebenheit ob dieser mehr oder weniger befohlenen "Übung" kurz vorm Wochenende verlor sich zusehends und machte einer heiteren Gelöstheit Platz. Sie machte ihnen sichtlich Freude, diese für französische Ohren doch etwas ungewohnte Musik.

Auch von deutscher Seite hatte sich so mancher eingefunden, dem man Rang und Namen zubilligen darf. Oberst Lütjens und Gattin lauschten aufmerksam und korrekt, ganz genau war nicht zu erkennen, wie weit ihn die europäischen Klänge entführten bzw. entrückten. Oberstudiendirektor Denis vom Cusanusgymnasium und seine Frau waren sichtlich mitgerissen von der Urexweiler Jugend. Franz Gräff vom Hospital war eindeutig begeistert. Auch Ortsvorsteher Franz Schirra war mit unter den Zuhörern. Die Urexweiler spielten, als gelte es eine Halle mit zweitausend Zuhörern zu unterhalten. Frisch und unbefangen, unbeeindruckt wie die Profis, zeigten sie ihr Können.

Sie hatten sich etwas einfallen lassen. Zu Anfang spielten sie ein von Franz-Rudolf Kunz bearbeitetes französisches Volkslied als besondere Referenz für Capitaina Bouyssou, der dem Mandolinenverein seit zehn Jahren in ganz besonderer Freundschaft verbunden ist. Anlass genug für den Verein, sich ein wenig musikalisch erkenntlich zu zeigen. So hörte man also zur strahlenden Freude des Capitaine: "Les Chevaliers de la Table ronde". Und wie vorauszusehen, war es nicht das letzte mal, dass dieses Lied an diesem Abend erklang.

Dann quer durch Europa: Spanische Impressionen, Elsässische Bauerntänze, Zorbas Dance, Kalinka, Akropolis Adieu. Sie zeigten ihr Können und die unbefangene, lockere Stimmung der beiden Orchester sprang sehr schnell in den Saal über und die Befangenheit der Zuhörer, die anfangs wohl glaubten, der etwas schwache Besuch könnte die sensiblen Künstlerseelen der Musiker beeinflussen und ihren musikalischen Elan bremsen, verlor sich schneller als sie es wohl selbst zu hoffen gewagt hätten.

Zwei Orchester hatten sie mitgebracht, die Urexweiler. So waren die Jungen, das "Große Orchester", mehr für die internationale Volksmusik und die älteren Herrschaften, die "Senioren", mehr für die nationalen Klänge und Gesänge zuständig. Und die etwas freche Bemerkung eines Moderators, dass es sich bei den bejahrteren Musikern um die Vorfahren des "Großen Orchesters" handele, wurde von ihnen stolz ignoriert.

Überhaupt die Moderation: Man geht neue Wege in Urexweiler und passte sich der Mentalität der Franzosen an. Also keine ernsten, mehr oder weniger belehrenden Texte diesmal, sondern ein lockeres, etwas freches, sich selbst nicht schonendes Zwiegespräch, auf Französisch natürlich, das ebenfalls zur Entspannung zwischen Bühne und Zuhörerraum beitrug.

In der Pause wurde Capitaine Bouyssou die Ehrenmitgliedschaft des Mandolinenvereins verliehen. Strahlenden Gesichts bezeichnete er es als besondere Ehre und Verpflichtung. Blumen für die Damen, Anerkennung für Commandant Simon, der seit Jahren als Verbindungsoffizier die Kontakte zur deutschen Bevölkerung pflegt.

Das Schlusswort hatte Oberst Morillon. Ein klein wenig verlegen entschuldigte er den schwachen Besuch mit Manöver und Wochenendurlaub, wo doch nichts zu entschuldigen war. Die Anwesenden, inklusive der Musiker, hatten sich doch glänzend unterhalten und noch war ja ein Ende des Abends nicht abzusehen.

Die Gastfreundschaft des Regimentes und die Qualität seiner Küche sind sprichwörtlich und man hatte auch an diesem Abend wieder ein grandioses kaltes Büffet einschließlich mehrerer Hektoliter köstlichen Bordeaux' im Offizierskasino vorbereitet.

Es wäre mit der Künstlerehre der Urexweiler Zupfmusiker nicht zu vereinbaren gewesen, für die Großzügigkeit nicht mit einer ausgelassenen Stimmung zu danken. Sehr schnell fand sich ein riesiger gemischter Chor, es wurde getanzt und gespielt und bis zum Dessert hatte die Stimmung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Keineswegs wegen Erschöpfung, eher aus Rücksichtnahme auf die Gastgeber, machten sich die Künstler auf die Heimreise, früh am Morgen, voller Begeisterung über den gelungenen Abend und mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit den Kürassieren.

(Saarbrücker Zeitung/WND, 16.03.1982)
Last modified: Tue Oct 12 19:27:16 CEST 2004